Konstruieren als Kulturtechnik
Stuttgarter, Solothurner oder Grazer Schule – der Terminus der „Architekturschule“ wird immer wieder als identitätsstiftendes Markenzeichen in der Geschichte der Entwurfslehre genutzt. In Karlsruhe wird dieser Ordnungsbegriff nach der Weinbrenner-Schule des Klassizismus nicht mehr verwendet. Kann aber nicht auch hier von einer spezifischen Lehrtradition gesprochen werden? Von einem Karlsruher Modell, das sich – so die These –durch sein auf Konstruktion, Detail und Funktion fokussiertes „technisches Denken“ definierte?
Architektur ist eine der wertvollsten kulturellen Wissensformen und entfaltet als heterogene Querschnittsdisziplin häufig erst an den Schnittstellen zu wissenschaftlichen, technischen, sozialen und kulturellen Diskursen ihre konzeptionelle Deutungskraft und intellektuelle Lebendigkeit. Beim Generieren von neuem Wissen sind wir heute damit konfrontiert, dass Informationsfragmente fortwährend erzeugt, gespeichert, abgerufen, aktualisiert und erneut gespeichert werden — ein scheinbar endloser Kreislauf des Codierens und Umcodierens von Geschichte und Gegenwart.
Anhand des Nachlasses Egon Eiermanns, dem Protagonisten der deutschen Nachkriegsmoderne, sollen „Objekte des Wissens“ befragt, gelesen, erforscht und mit dem Fokus auf das Konstruieren als Kulturtechnik interpretiert werden. Materielle Bedeutungseinschreibungen werden extrahiert, mit dem Ziel, das Spezifische im Entwurfsdenken des Karlsruher Modellsherauszuarbeiten und sein theoretisches und methodisches Potential für die zeitgenössische Baupraxis zu untersuchen.